Sonntag, 6. Juli 2008

Las Jungas / Choroico

Am Freitag sind wir gegen 11 Uhr in La Paz gestartet und haben gleich gesehen, dass unser neuer "especho" (Aussenspiegel) super ist. War nicht so einfach, das Loch aus der Stadt Richtung Coroico zu finden. An der Rezeption des Hostals haben wir immerhin erfahren, wie wir bis zum Busterminal kommen und dort war wieder mal nachfragen angesagt. Drei Leute gefragt, zwei Antworten. Wir haben uns fuer die Mehrheit entschieden und das war gut so. Nach kurzer Strecke hat sich herausgestellt, dass wir tatsaechlich die Teerstrasse nach Coroico erwischt hatten, die seit 2003 existiert. Die alte Strasse war naemlich ein Acker und zwar angeblich die "gefaehrlichste Strasse der Welt". Die Strecke sollte uns in die Jungas fuehren, der gemaessigten Landschaft zwischen dem Altiplano und dem feuchtheissen Amazonasgebiet. Dort werden Fruechte, Cafe und vor allem Koka angebaut. Neben Capare sind die Jungas das groesste Koka-Anbaugebiet in Bolivien. Die Strasse nach Coroico fuehrte uns ueber hohe Berge auf einer atemberaubenden Strecke mit der besten Sicht der ganzen Reise. Die Landschaft wurde schnell gruener und man konnte bis ins Unendliche nach unten blicken. Ganz schoen mulmig an manchen Stellen. Die Strasse zog sich ueber die Berge, Schleifen ueber Schleifen.

Nach einigen Fotostops haben wir an einer Ecke Halt gemacht, an der auch schon ein Bus am Reifen wechseln war. Ploetzlich hat uns ein Mann angesprochen, den wir schon in einem Auto hinter uns auf der Strasse gesehen hatten. Er hat sich fuer unser Auto interessiert und hat uns das erste echte Angebot gemacht. 5.500 USD. Und er kann bis August warten, das Auto muss nur irgendwie nach La Paz kommen. Das ist doch schon mal ein Anfang. Schauen wir mal. Wenn uns nichts besseres einfaellt, ist das auf jeden Fall eine Option.

Auf der Strecke gab es diverse Kontrollen und Polizeiposten. Hier werdem vor allem die Papiere und die Autos auf Drogen kontrolliert, schliesslich fuhren wir ins Megaanbaugebiet. So wurden wir, wie immer genau registriert, doch das sind wir ja schon gewoehnt. Immerhin sind die Polizisten immer sehr nett und auch hier hat sich wieder mal einer fuer unser Auto interessiert :)

Nach ca. 3 Std Fahrt sind wir erneut an einem Polizeiposten angekommen. Dort hiess es: Aussteigen und Papiere vorzeigen. Der juengere Polizist wollte mich nicht passieren lassen, da wir angeblich keine "Rosette" am Auto hatten, das ist eine Art TUV Bescheinigung. Diese ist aber fuer unser Auto nicht noetig, da es neu gekauft ist und wir hatten so auch noch nie ein Problem. Doch hier war es ploetzlich eines. Wir hatten mittlerweile seit 10 Minuten mit dem Herren diskutiert, mit ihm Gesetzestexte gesichtet und den ganzen Verkehr aufgehalten, so dass wir zur Seite fahren mussten. Schliesslich wussten wir uns nicht mehr anders zu helfen und riefen wieder mal unseren Retter in der Not, Jorge an ... der sprach mit dem Herren und sagte mir, ich solle ihm 20 BS geben, dann wuerde er uns durchlassen. So geschah es. Immerhin war er gnaedig und gab sich sogar mit 10 BS zufrieden. Glueck gehabt. Wir hatten alles richtig gemacht, doch der Polizist hatte sich wohl gedacht, dass er sein Gehalt mit uns Gringos ein wenig aufbessern kann. Naja. Damit fing es also schon mal gut an...Die letzten 15 Minuten sind wir auf einem Acker nach Coroico gefahren und hatten nach einigen Nachfragen auch das Hotel Esmeralda gefunden. Dies hatte uns unser Taxifahrer und Spiegelretter Augusto in La Paz empfohlen. Dort hatten wir festgestellt, dass uns der Deckel vom Benzinkanister wegen der Hoehenunterschiede geplatzt war (nix passiert oder ausgelaufen). Im Hotel hatten wir ein nettes Zimmer mit Haengematte auf dem Balkon bekommen, wenn das auch nur fuer eine Nacht ging. Das Hotel liegt wunderschoen oben am Berg, ein wenig ausserhalb des Ortes, terassenfoermig angelegt. Wir mussten gleich den Pool testen, zumal es wirklich warm war. Da dieser, wie alles Wasser hier aus einem nahegelegenen Wasserfall kommt, ist der Pool eisig kalt, doch wir hatten es trotzdem gewagt. Wenn schon mal ein Pool da ist, muss er schliesslich auch genutzt werden. Nachdem wir kraefig durchgefroren waren, hatten wir den Plan, hier im Hotel was zu essen. Leider hat sich niemand erbarmt, uns zu erklaeren, wie dies funktioniert. Ein Buffet war in Sicht, ein Kellner nicht. Speisekarten gab es diverse verschiedene, nur welche war die Richtige? Nachdem ewig keiner kam, haben wir den beschaeftigen Herren, der abspuehlte, befragt. Er war alles andere als freundlich, aber immerhin wussten wir dann, dass es heute nur Buffet gab. Naja. Besser als nix. Lecker war es nicht wirklich, aber dafuer war der Service auch wirklich eine Frechheit... WiFi sollte es geben, ging auch nicht. Um 22 Uhr haben sie uns rausgeworfen, da geschlossen wurde. Naja. Das gab uns den Rest und wir waren echt schon angesaeuert. Als wir noch die Waesche abgeben wollten, hiess es ebenfalls, nur in der Frueh kann man was abgeben. Ist ja auch wirklich zu viel verlangt, so einen Beutel Waesche am Abend anzunehmen. So ein tolles Hotel und dann so ein Service, schade. Immerhin war es ja auch nicht so billig. 20 EUR pro Nacht sind hier viel Geld.

Am naechsten Tag (Samstag) haben wir eine Wanderung zu dem Wasserfall gemacht, der das Wasser hier liefert. Die Tour ging ca. 2 Std um die Berge herum und man hatte einen tollen Ausblick. Wir liefen einen kleinen Wanderweg, der uns durch die Kokapantagen fuehrte. Die Blaetter des Koka hier sind kleiner als in Capare, doch dafuer sind sie feiner. Koka wird hier an den Steilhaengen in Terassen angebaut, die nicht mit Maschinen bearbeitet werden koennen. So ist in den Plantagen alles Handarbeit. Die Maenner sind fuer das Anlegen der Terassen und Pflanzen der Setzlinge, die Frauen fuer die Ernte zustaendig. Die Frauen ziehen dazu ihre besten Kleider an, so hoch wird die Ernte hier angesehen. Dabei wird natuerlich fleissig Koka gekaut. Wir haben einige Fauen bei der Ernte gesehen, die die Blaetter in ihre Schuerzen gezupft haben, was bei der Hitze und der gebueckten Haltung eine schwere Arbeit ist. Der Wasserfall, an dem wir gepicknickt haben, war nicht wirklich aufregend, aber die Strecke dorthin war superschoen. Der Blick ueber die Berge war wieder einmal fantastisch und was mich nach wie vor an Bolivien fasziniert, ist diese unendliche Weite. Kilometer ueber Kilometer nichts als Berge, Pflanzen und Steine. Und die Berge sind hier wahnsinnig hoch. Bei uns bildet man sich ja bei 2400m schon ein, hochalpin zu sein, darueber kann man hier nur lachen. Auf 2400m liegen riesige Staedte und Ebenen... Der Weg zurueck vom Wasserfall ins Hotel war schnell gefunden, auch wenn wir einmal eine falsche Abzweigung erwischt hatten, kamen wir gut dort wieder an.

Nachmittags haben wir uns dann auf den Weg ins Dort gemacht und erst mal eingekauft. Anschliessend sind wir in der Pizzeria Italia gelandet und waren doch die einzigen Gaeste. Meine Pizza hat schon 20 Minuten gedauert, Flo´s noch einmal so lange. So dass wir nacheinander gegessen haben ... Waehrenddessen war noch ein Tisch besetzt und weitere 16 (!) Leute sind in das Restaurant gekommen, haben sich hin gesetzt und sind wieder gegangen, weil niemand da war, der bediente. Der Service war auch hier unglaublich schlecht, auch wenn die Pizza gut war. Wir haben hier immer mehr den Eindruck, dass die Menschen hier - obwohl sie zum Teil sehr arm sind - einfach kein Geschaeft machen wollen. Sehr seltsam, denn Moeglichkeiten dazu gibt es genug.

Dann sollte die Agentur gefunden werden, mit der wir hier Unternehmungen machen koennen. Wir wollten mit den Rad die bekannte Todesstrecke (alte Strasse) fahren, die ueber riesige Abhaenge fuehrt. Die Tour ist von La Paz aus buchbar, doch wir dachten, dass das vor Ort besser waere. Falsch gedacht. Hier hat sich herausgestellt, dass es nur eine Agentur gibt, die dies anbietet, CXC Coroico. Nachdem wir das ganze Dorf abgesucht hatten und 2x gefragt hatten, fand sich diese in einer dunklen, etwas gruseligen Seitenstrasse ganz unten. Die Tuer war halboffen, alles war duster. Ich wollte schon aufgeben, der erste Eindruck war schon mal sehr schlecht, doch Flo hat doch noch jemand aufgetrieben.

Ein bolivianischer Hollaender, der uns die Tour fuer 40 USD pro Nase fuer den naechsten Tag (Sonntag) angeboten hat. Nach einigem Ueberlegen und Abwaegen haben wir uns dafuer entschieden, weil die Alternative war, wieder nach La Paz zurueckzufahren, um von dort aus wieder hierher zu kommen, was ja echt Bloedsinn ist. So haben wir vereinbart, dass wir uns heute um 8.30 Uhr treffen, damit wir vorher noch zur Bank koennen und Geld holen koennen.

Hier sind alle Laeden sonntags offen und Montags zu, damit die Touris aus La Paz und Umgebung, die am Wochenende kommen, einkaufen koennen...

Heute haben wir uns den Wecker dementsprechend frueh gestellt, Fruehstueck gab es im Hotel um die Zeit noch keines. So haben wir uns wieder mal von Bananen und immerhin Knaeckebrot ernaehrt. Besser als nichts. Die Bank war heute natuerlich nicht offen, so dass wir um 8.20 Uhr bei der Agentur ankamen. Immerhin 10 Minuten zu frueh. Dort hiess es schon, wir muessen uns beeilen, denn der Bus faehrt in 5 Min. Komisch. Also schnell schnell irgendwelche Raeder bekommen, irgendwelche Helme und los.
Unser Guide hiess Loy und sah aus wie 16. Na bravo, wir waren echt begeistert. Aber wir behielten die besten Vorsaetze fuer den Tag. Der vollbesetzte, oeffentliche Minibus hat uns in 2 Std bis La Cumbre gebracht und dort abgeladen. 4.700m hoch und schweinekalt. Wir hatten gestern noch gefragt, was wir alles mitnehmen sollten, da hiess es, ein Fliespulli reicht. Es war schnell klar, dass das nicht der Fall war. Nachdem sich Loy einen Anorak und Muetze anzog, haben wir den Typ der Agentur CXC echt verflucht. Wenn wir nicht noch gefragt haetten. Wir sind dann die offizielle Teerstrasse runtergebraust, die wir vor 2 Tagen auch mit dem Auto gekommen sind. Davon war auch nicht die Rede. Nun sollte es 40km auf der Teerstrasse und 48km auf der alten Strasse (Acker) gehen. Wir hatten gesagt bekommen dass wir auf der alten Strasst, abseits des Verkehrs fahren wuerden. Nach 10 Kilometer waren unsere Haende und Oberkoerper schon eingefroren und wir hatten Kraempfe in den Haenden vom Dauerbremsen. Die Gangschaltung und Bremsen hatten sich als ziemlich schrottreif herausgestellt. Bremsbelaege fast runter, Seilzugbremsen super schwergaengig. Mein Helm war wohl schon mal benutzt worden und leicht kaputt. Ausserdem drueckte er. Der von Flo hielt nicht, das Kinnband war aus verschiedenen Helmen zusammengestellt worden. Dann hat Flo ein Teil des Wassertrinkschlauches verloren und ist als letzter in der Riege einfach stehengeblieben und abgestiegen und hat das Teil gesucht. Ich und Loy waren schon um die Ecke, bis ich merkte, dass Flo fehlte. Also Loy informiert - normalerweise sollte der Guide soetwas zuerst merken - schnell zurueck, doch Flo war auch hinter der Kurve nicht in Sicht. Sein Fahrrad lag am Strassenrand, daneben ein Abhang. Ich rief laut nach ihm, keine Antwort. Loy, der wirklich erst 16 war, war sichtlich ueberfordert. Ich sagte ihm, wo er suchen sollte und rannte die Strasse entlang. Ich war in dem Moment echt panisch, dass Flo diesen Abhang runtergefallen war. Einen Fastherzinfarkt und 40m weiter gerannt, hat Flo geantwortet. Er lief selenruhig die Strasse entlang und suchte sein Ersatzteil. Aufatmen bei mir. Loy fuhr ihm hinterher und das Teil war schnell gefunden. Flo und ich waren uns einig, dass wir mit diesen Raedern in keinem Fall die 88km lange Strecke (48km Teer, Rest Acker mit steilen Abhaengen und engen Strassen) fahren konnten, zumal wir jetzt schon platt und die Haende im Eimer waren. Das Risiko war uns einfach zu hoch, zumal dieser Teil der Strecke wirklich noch harmlos war. Wir haben Loy gesagt, dass wir ein Taxi oder einen Bus brauchen, denn wir fahren nicht bis zum Ende. Er nahm uns nicht ernst, meinte es gaebe hier nix und es waere auch kein Handy empfang und so ging es nochmal 5km weiter. Dann mussten wir kurz zu Trinken halten und schon kam ein Bus vorbei, den Flo und ich per Handzeichen angehalten haben. Der Bus hielt tataechlich an und hatte noch 3 Plaetze. 15 BS pro Nase und wir hatten einen Rueckfahrplatz nach Coroico. Loy war ganz verdutzt, dass wir nun echt mit dem Bus fahren wollten und entschied sich, allein weiterzuradeln. Das lag unserer Meinung vor allem daran, dass der Bus vermutlich so viel kostete, wie vermutlich sein Tageslohn war. Wir haben die Busfahrt sichtlich genossen und uns ueber unsere Dummheit amuesiert. Auch hier hatte sich wieder die Devise bewiesen: Der erste Eindruck ist entscheidend und der war bei dieser Agentur CXC nicht gut. Dass wir so schnell wieder mal Busfahren wuerden, haetten wir auch nicht gedacht. Nur gut, dass die Busse hier echt ueberall anhalten, was uns schon oft genervt hatte, hier kam es uns zugute. Nachdem wir wieder in Coroico waren, haben wir die Raeder abgegeben. Nur gut, dass der Eigentuemer da war. Wir haben ihm geschildert, was Sache war und er konnte gar nicht verstehen, warum die Raeder so schlecht seien. Immerhin wuerden sie nach jeder Tour gecheckt. Haha. Wir haben ihm auch gesagt, dass es unverantwortlich ist, einen 16jaehrigen als Guide mit uns zu schicken. Der Kerl war nett, aber das geht nicht. Immerhin haben wir 160 Bol (von 560) zurueckbekommen. Da ich das Geld schon abgeschrieben hatte, hat mich das gefreut. Als Abschluss sind wir dann in die Backstube gegangen, ein Restaurant, dass von einem Norddeutschen gefuehrt wird. Dort hat Flo einen Sauerbraten, ja einen echten Sauerbraten mit Spaetzle und ich einen Pfannkuchen gegessen... Unglaublich lecker.

Morgen werden wir hier abreisen und nach Copacabana am Ticicacasee aufbrechen, um von dort aus nach Peru einzureisen. Nun hoffen wir mal, dass wir nicht wieder ueber La Paz fahren muessen, was ich immer noch bezweifle :)

Nachtrag:
Nachdem ich (Flo) bei anderen Anbietern nachgesehen habe stellt sich folgender Vergleich:









































LeistungAnbieter

CXCz.B. Gravity Assisted
Radnoname, selbstgebautKona mountain bikes
Federungnur Vorne, nicht einstellbarMarzocchi front suspension sowie Federung fuer das Hinterrad
Bremsenstandard SeilzugbremsenHayes hydraulic disc brakes
Equipmentbillige, alte Helmeneue Integralhelme, Handschuhe, Sicherheitswesten
BegleitungGuide, 16 Jahreeigenes Begleitfahrzeug (Transport von und nach La Paz, Transport von Rucksaecken und Ersatzteilen, Moeglichkeit zum Einsteigen wenn man muede ist), professionelle Guides
Preis40 $us70 $us


Wir sind heil froh dass wir noch auf dem Teerstueck ausgestiegen sind und einen Bus erwischt haben. Ueber Preis / Leistung kann sich hier jeder selbst eine Meinung bilden.


Nachtrag #2:
Siehe unseren naechsten Eintrag fuer das "Nachspiel" mit Chef von CXC und Guide vor unserer Hotelzimmertuere.

Keine Kommentare: