Nachdem wir heute den sechsten Tag Spanischunterricht hinter uns gebracht haben, ist unser Kopf spanischtechnisch echt langsam voll, aber wir lernen jeden Tag etwas Neues und irgendwas bleibt immer haengen. Vor allem haben wir durch den Kommunikations-Kurs die Moeglichkeit, viel ueber Land und Leute kennenzulernen, da unsere Lehrer uns bereitwillig ueber alles Auskunft geben.
So gibt es hier ein paar Fakten ueber Sucre:
Sucre ist die Quasi-Hauptstadt von Bolivien, das heisst dass es frueher die Hauptstadt war, heute befindet sich hier nur noch der oberste Gerichtshof, waehrend sich die Legislative und Executive in La Paz befinden. Somit ist La Paz im Moment die wirkliche Hauptstadt, auch wenn die Menschen hier Sucre immer noch als Hauptstadt sehen und sie als solche haben wollen. Wegen dieses Themas gibt es hier immer wieder Aufstaende der Bevoelkerung, wie erst im letzten November, wobei hier auch 3 Menschen ums Leben kamen. Am 25. Mai (dem Tag der bolivianischen Revolution) hat es hier wieder einen Aufstand der Studenten hier gegeben, bei dem sogar die Polizei hier aus der Stadt vertrieben wurde. Polizeiposten wurden angezuendet, so dass sich die Polizei erst langsam in den letzten Tagen wieder in der Stadt verteilt hat. Wir haben von dem Ganzen wenig mitbekommen, da wir ja erst am 31.5. hier ankamen.
Die Stadt ist bekannt fuer folgendes:
- ihre sehr leckere Schokolade (sehr zu Flo`s Segen)
- ihre Univsersitaeten (viele Studenten)
- es gibt Alkoholismus, Drogen und Prostitution
- Ueberfaelle nachts
- Schwangerschaften bei Minderjaehrigen, da es keine sexuelle Aufklaerung gibt
- in der Folge (missglueckte) Abtreibungen
Was Alkoholismus, Drogen, Prostutution und Ueberfaelle betrifft, haben wir bisher gar nichts mitbekommen, da wir uns immer im Stadtkern bewegen. Gefaehrliche Gebiete befinden sich eher in anderen Stadtteilen. Dagegen sehen wir viele junge Maedchen, die schon Kinder haben oder bekommen. Menschen, die betteln gibt es ebenso zu Hauf. Kinder, die arbeiten, vor allem als Schuhputzer begegnen uns taeglich.
Damit man mal einen Ueberblick bekommt, was hier das Leben so kostet (11 BS sind ca. 1 EUR):
Abtreibung: 500 BS
Besuch bei einer Prostituierten: 20-100 BS fuer 30 Min
Arztkonsulation: 20 BS
Kariesbehandlung beim Zahnarzt: 80 BS
Kindermaedchen: 200 BS im Monat
Hausangestellte fuer 24h rund um die Uhr 7 Tage die Woche: 400 BS
Gehalt eines Lehrers oder Minenarbeiters im Monat: 1500-2000 BS
Gehalt eines Arbeiters im Monat: 800 BS
3 Zimmerwohnung zur Miete: 500 BS im Monat
Haus mit 3 Zimmern mit Garten zum Kauf: 15.000 EUR
Essen im Restaurant: 15-40 BS
2l Wasser: 4 BS
In Bolivien herrscht Schulpflicht, doch im Gegensatz zu Deutschland ueberprueft das hier keiner. Die Kinder gehen in 3 Schichten in die Schule. Von 8-12 Uhr, von 14-18 Uhr und von 18-22 Uhr. Jedes Kind kann sich aussuchen, wann es gehen moechte. Es gibt hier nur einen Schultyp, der 12 Jahre lang geht. Danach haben die Jugendlichen die Chance, auf die Universitaet oder technische Schulen zu gehen oder einen Beruf in einem Betrieb zu erlernen. Leider gibt es keine Berufschule wie bei uns und auch die Qualitaet der Schulen hier ist mangelhaft, da die Regierung keinen grossen Fokus auf die Bildung legt. In der Praxis gehen viele Kinder schon ab 10 Jahren nicht mehr in die Schule und muessen arbeiten gehen, um Geld zu verdienen.
Sozialversicherungen gibt es hier, doch auch diese sind mangelhaft. Alle Mitarbeiter der Regierung haben eine Versicherung, fuer alle anderen Angestellten sind die Chefs fuer die Versicherung zustaendig, doch diese sichert in fast allen Faellen nur eine Minimalversorgung bei schlechtbezahlten und unwissenden Aerzten ab. Will man eine angemessene Behandlung, muss man diese aus eigener Tasche bezahlen. Bauern auf dem Land haben ebenso Anspruch auf eine Minimalversorgung, die diese aber in der Praxis selten wahrnehmen, weil Aerzte meist weit entfernt sind.
Der derzeitige Praesident Evo Morales ist der erste indigene Praesident von Bolivien. Er ist ein ehemaliger Bauer und daher Anfuehrer der sozialistischen Partei. Er selbst ist angeblich trotz der grossen Korruption im Land nicht korrupt, dagegen sein Mitarbeiterstab. Allerdings halten viele Menschen in Bolivien wenig von ihm, obwohl er mit grosser Mehrheit gewaelt wurde, weil er viele Versprechen macht, dennoch wenig davon einhaelt. Er benutzt die Masse der Bauern, die hinter ihm stehen, um seine Macht auszuueben und setzt sie fuer die Durchsetzung seiner Ziele ein.
Derzeit gibt es im Land mehrere "Brandherde". Zum einen gab es am Freitag Proteste der Lehrer, so dass alle Schulen ausgefallen sind, weil die Lehrer in Zukunft 10 Jahre (!!) laenger arbeiten sollen (Frauen bis 60 statt 50 und Maenner bis 65 statt 55). Man muss bedenken dass die Menschen hier nicht so lange leben wie bei uns.
Ein weiteres Problem gerade sind die Transporteure (Busse). Die Regierung will eine Transportsteuer einfuehren, gegen die sich die privaten Busgesellschaften mit Streiks und Strassenblokaden wehren. So war hier die ganze letzte Woche Streik, kein Bus konnte fahren, auch kein Auto wegen der Blockaden. In den Laeden ging das Fleisch aus und Tankstellen konnten kein Benzin mehr abgeben da der Nachschub fehlte. Das heisst auch, dass niemand, ausser per Flugzeug bis Freitag die Stadt verlassen konnte. Da die Streiks meist nur unter der Woche sind, kann man am Wochenende ungehindert fahren. Wir wollen nun am Mittwoch nach Cochabamba weiterfahren und haben auch schon unser Ticket gekauft, nun sind wir gespannt, ob der Bus faehrt oder nicht.
Des weiteren gibt es Geruechte um den Fortbestand der Regierung, vor allem La Paz ist derzeit (oder besser gesagt immer) in gewissen Stadtvierteln nicht sicher. Solche Ausschreitungen beschraenken sich in der Regel immer lokal, so dass es in einem Teil der Stadt sicher, in einem anderen unsicher ist. Zudem finden derzeit Wahlen in den verschiedenen Regierungsbezirken statt. So wird dort der Oberste (Goberador) gewaehlt (wie Stoiber fuer Bayern). Hier in Sucre gibt es dafuer in der Regel 8-10 Kandidaten, diesmal gibt es nur 3, wobei einer davon irrelevant ist. Der erste ist ganz linksgerichtet, kommt aus der Regierung, die viele nicht moegen. Die zweite Kandidatin ist eine Frau, die ebenso vom Land kommt, sehr rechtsgerichtet ist und kaum spanisch spricht, sondern nur die einheimische Sprache - Quechua. Die Menschen sehen beide Kandidaten als nicht geeignet an, doch da Wahlpflicht herrscht, wird wohl einer der beiden gewaehlt werden. In den anderen Regionen z. B. Beni oder Santa Cruz gibt es den Wunsch, die Region unabhaengig vom Rest des Landes zu sehen. Dies trifft in erster Linie fuer die reicheren Regionen zu, die vor allem Erdoel oder Gas haben.
Was die politischen Beziehungen angeht, hat Bolivien gute Beziehungen zu Kuba, Venezuela, Ecuador, zum Teil zu Argentinien und Brasilien. Paraguay ist Erzfeind, da sie Bolivien den westlichen Teil in einem Krieg abgenommen haben, Chile wegen dem Abschneiden des Zugangs zum Meer. Die Argentinier, Brasilianer und Chilenen sind bei den Menschen hier sehr unbeliebt, da sie nicht "indigenen" Ursprungs sind, sondern mehrheitlich europaeische Wurzeln haben und in den Augen der Bolivianos arogant sind.
Das ist ein kleiner Eindruck von Bolivien/Sucre, den wir bisher gewonnen haben. Unternommen haben wir hier bisher neben dem Unterricht nicht viel, da zuerst Flo und dann ich den Magen verstimmt hatten. Man kann mit dem Essen aufpassen wie man will, irgendwie schafft man es immer, etwas Falsches zu erwischen. Am Samstag war eine Parade der Universitaet mit vielen Taenzern in der Stadt, die wir nachmittags angeschaut haben. Abends waren wir bei einer Tanzvorfuerhrung mit traditionellen Taenzen, die uns wirklich begeistert haben! Die Taenzer hatten wunderschoene bunte Kostueme und Masken und haben 2 Std. so getanzt, dass man schon beim Zusehen ausser Atem kam. Am Ende haben die Taenzer 3 Minuten einige Zuschauer mit auf die Buehne zum Tanzen geholt, unter anderem mich und ich muss sagen, ich war nach den wenigen Minuten wirklich platt. Die Taenzer dagegen haben zwei Stunden gewirbelt, dass es uns echt ein Raetsel ist, wie man so etwas durchhalten kann. Heute sind wir zum Dinosaurier Park in der Naehe von Sucre gefahren. Hier wurde vor 10 Jahren von einem Zementwerk die groesste zusammenhaengende Flaeche mit Fussspuren von Dinosauriern gefunden. Durch die Plattentektonik hat sich der hier ehemals liegende See, in dem die Spuren in Schlamm konserviert sind, vertikal verschoben, als die Anden entstanden. Die Spuren sind von den verschiedensten Sauriern und waren wirklich sehr imposant. Fotos folgen ...
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2 Kommentare:
Hallo Susi und Strolch,
vielen vielen Dank für die Glückwünsche. Schade, dass Ihr nicht mit uns feiern konntet.
Wünschen Euch noch eine schöne Reise, wir verfolgen den Blog immer ganz gespannt.
Liebe Grüße aus München
Steffen und Moni
Hallo Susi, hallo Flo,
Ihr kommt ja ganz schön rum. Ich wollte eigentlich nur Susi melden, dass der Chor vor zwei Wochen schön auf einer Hochzeit gesungen hat. Wir haben da leckeren Kuchen bekommen und das Ambiente war auch sehr ansprechend. Diesen Samstag ist ja auch wieder ein Auftritt, aber den lass ich aus (wenn auch schweren Herzens, da Hochzeiten eigentlich immer schön sind), aber heute abend hat Stephan Elternbeirat im Kindergarten. Und da ich dann die Probe für die Hochzeit verpasse, singe ich die auch nicht. Außerdem ist bei uns nächste Woche Hinterhofflohmarkt (gibt es jetzt auch in der Au) und da muß ich noch die ganzen Sachen zusammensuchen.
Ihr macht ja schwer was mit auf Eurer Reise. Aber es ist schön, dass Ihr uns an Eurem Abendteuer teilnehmen lasst, so seid Ihr nicht ganz weg und wir haben auch noch was davon :-)))
Alles Gute für die nächste Zeit und ganz liebe Grüße von Ingola
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